Wer jetzt glaubt, dass dies ein Reisebericht aus den Weiten der nordamerikanischen Prärie oder den Urwälder Kanadas ist, der irrt. Auch zu den Waldbisons nach Polen in den Białowieża-Nationalpark zu den dort lebenden Wisenten geht es nicht.
Nein, es geht nach Nordrhein-Westfalen, in das bevölkerungsreichste Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.
Genauer gesagt ins Sauerland. Diese Region umfasst verschiedene Teilgebirge. Die höchsten Erhebungen liegen im Rothaargebirge, dort entspringt auch die Ruhr. Die im Verhältnis zum Landesdurchschnitt dünn besiedelte Region hat viele Waldgebiete und Stauseen. Insbesondere im höher gelegenen Ostteil der Region, dem Hochsauerland, ist der Tourismus von großer Bedeutung und bekannt dürfte das Sauerland über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland für ein Produkt sein. Bier, besser gesagt Pils, denn mit Warsteiner, Veltins, und Krombacher befinden sich gleich drei der größten Brauereien Deutschlands im Sauerland und dem Wittgensteiner Land. Das Wittgensteiner Land liegt im Kreis Siegen-Wittgenstein und zu kleinen Anteilen auch im Hochsauerlandkreis.
Diese Region bietet eine recht reich strukturierte Palette an Wild, neben Rehen gibt es Schwarzwild Rotwild und Damwild, sowie ein Vorkommen von Sikawild im Arnsbergerwald.
An der Grenze des Sauerlandes zum Wittgensteiner Land liegen die Reviere des Adelsgeschlecht derer zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, die mit 13.000 ha größten Grundbesitzer Nordrhein- Westfalens.
Schon der Hirsche wegen wäre es Berichtens wert, das Wittgensteiner Land. Doch dem König der Wälder ist Konkurrenz erwachsen. Seit April 2013 zieht einen kleine Herde Wisente durch die Wittgensteiner und Sauerländer Wälder. Ja, frei lebende Wisente! Kein Zaun und auch keine anderweitigen Sperrmaßnahmen hindern sie auf ihren Wegen.
Das Wisent (Bison bonasus) ist Europas größtes Landsäugetier. Die männlichen Wisentbullen werden bis zu 900 kg schwer, die Kühe erreichen ein Gewicht zwischen 500 bis 700 kg, bei einer Rückenhöhe von bis zu 2 Meter hat er große Ähnlichkeit zu seinem amerikanischen Verwandten dem Bison. Wisente sind dicht und braun behaart und haben eine markante Stirnvorwölbung. Zudem zeichnen sie sich durch ihre bis zu 45 cm langen Hörner aus. Ein Großteil der weltweit etwa noch 2.000 Wisente lebt in Polen, einige kleinere Herden in Litauen, Ukraine, Weißrussland sowie in Russland. Einst lebten Wisente in freier Wildbahn auch im Harz und in Sachsen, doch sind sie dort bereits seit Jahrhunderten ausgestorben.
Nun sind Sie wieder da, wie ist es dazu gekommen?
Die Idee zur Auswilderung der Wisente stammt vermutlich von S.D. Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg selber, hier ranken sich aber schon einige verschiedene Geschichten, welche nun der Realität entspricht, kann ich leider nicht nachvollziehen.
Zur Realisierung des Artenschutzprojektes wurde der gemeinnützige Trägerverein „Wisent-Welt-Wittgenstein e.V.“ gegründet, das gesamte Projekt wird von vier deutschen Universitäten begleitet und überwacht.
Womit alle Experten mal wieder vollkommen falsch liegen, ist die Aussage, dass die frei lebende Herde wohl kaum ein normaler Wanderer zu Gesicht bekommt, da Wisente sehr scheu sind und vor Menschen doch eher flüchten. Schon 12 Monate nach Auswilderung tauchten hunderte von Berichten und Bilder im Internet über Begegnungen zwischen Mensch und Wisent auf, einige Wanderer und Waldbauern sind diesen majestätischen Tieren bis auf Distanzen von unter 100 Metern nahe gekommen. Selbst dann haben die Wisente nicht in panischer Flucht das Weite gesucht … Nein, sie sind gelassen ihrer vorher eingeschlagene Wege gezogen und haben sich nicht um diesen kleinen Zweibeiner gekümmert. So weit zu den Experten.
Da es nur mal eben 20 Minuten mit dem PKW sind von meiner Haustür bis zu den Wäldern der Wisente, packe ich mir des Öfteren meine beiden vierbeinigen Begleiter Falk und Linus und fahre ins Reich der Wisente, in der Hoffnung auch einmal eine Audienz bei dem neuen König der Wittgensteiner Wälder zu erhalten, leider ist es mir bis heute nicht gelungen, nur seinen Losung und sein Trittsiegel habe ich gefunden.
An dieser Stelle möchte ich auf die Seite der Wisent Welt Wittgenstein verweisen: www.wisent-welt.de. In dieses Jahr hat die ausgewilderte Herde bereits 4 Kälber bekommen. Es sind die ersten in Freiheit geborenen Wisente in Deutschland seit 400 Jahren.
Wenn gerade wir in der Bundesrepublik Deutschland über die Wiederansiedlung von Wolf, Luchs und Bär nachdenken und diskutieren, ist es ja nur gerecht, dass auch anderes ehemals heimische Wild wie Wisent und Elch ein Recht auf Rückkehr hat.
Die derzeitige Herde besteht aus acht Wisenten und soll bis zu einer maximal dreifachen Größe heranwachsen. Wie es zurzeit scheint, sind die Wisente mit ihrem neuen Lebensraum zufrieden, denn sie vermehren sich prächtig: Vier Kälber im ersten Jahr der Freiheit ist ein beachtlicher Erfolg. Neben dem ganzen Positiven zeigen die Wisente allerdings auch ein unerwünschtes Verhalten, genau wie Rotwild: Sie „schälen Bäume“ Der durch sie entstandenen Schaden soll sich derzeit auf 30.000€ belaufen.
Die „Wichtigkeit“ dieser Schäden ist aber auch immer einen Frage des Blickwinkels. Für mich und den größten Teil der Bevölkerung sind die Neuankömmlinge ein Bereicherung der Natur.
Leider sind in den letzten Wochen dunkle Wolken aufgezogen. Der durch die Wisente entstandene Schaden – besonders im privaten Wirtschaftswald – wird die vom Trägerverein abgeschlossene Versicherung nicht tragen. Begründung: Die Wisente sind Wildtiere und damit rechtlich herrenlos und somit ist die Versicherung nicht zuständig. Daraufhin haben Waldbauern aus der Umgebung Klage eingereicht, sie stehen auf dem Standpunkt, dass diese Wildtiere nicht in einem Wirtschaftswald passen und gehören. Wir werden sehen, wie es den Wisenten weiter ergehen wird…….
Elmar Kersting
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