gefährlich sollen sie sein, einige unserer pflanzlichen und tierischen Neubürger. Von was reden wir hier also genau, und wie gefährlich sind sie wirklich.

 

Allen gemein ist, dass sie Lebewesen sind (Neobiota), die direkt oder indirekt durch den Menschen in einen für sie neues Gebiet eingebracht wurden oder eingewandert sind. Sie sind fähig sich dort ohne Unterstützung weiter auszubreiten und sich einen festen Lebensraum zu erobern. Der Begriff Neozoe beschreibt die tierischen Zuwanderer, Neophyten pflanzliche und Neomyceten die Pilzartigen. Um neu von alt zu trennen, wählte man das Jahr 1492. Mit der Entdeckung Amerikas und der darauf folgenden Zeit von Forschungs- und Entdeckungsreisen begann der Austausch von Organismen aus bisher unbekannten Ländern.
invasive-arten

Was unterscheidet also Neobiota von invasiven Arten?
Viele Neozoen und Neophyten passen sich im neuen Lebensraum unproblematisch an und besetzen die eine oder andere ökologische Nische ohne Auswirkungen auf andere Arten zu haben. Als invasiv bezeichnet man Neobiota, wenn sie sich entweder aggressiv ausbreiten (Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen), gebietsweise andere Arten einschränken oder gar komplett verdrängen oder unerwünschte Auswirkungen auf andere Lebensgemeinschaften oder Biotope haben. Dieser Prozess muss nicht sofort eintreten (Lag Phase), sondern kann sich über etliche Jahre hinziehen.
Voraussetzung dafür ist, dass ihnen hier Gegenspieler oder konkurrierende Arten fehlen, die in ihrer ursprünglichen Heimat zu einem Gleichgewicht geführt haben (enemy release hypothesis). Heute betrachtet man etwa 10 % der gebietsfremden Arten als invasiv.

Unerwünschte Auswirkungen invasiver Arten

Ökologisch

  • interspezifische Konkurrenz (Verdrängen anderer Arten )
  • Infektionen
    Die gebietsfremde Art ist ein Parasit oder überträgt Krankheiten oder Organismen; dies führt zu einer Gefährdung einheimischer Arten. Z.B. hat die Einbringung amerikanischer Flusskrebse (u.a. Roter Sumpfkrebs, Procambarus clarkii) in unsere Gewässer die „Krebspest“ übertragen. Sie selbst sind immun gegen die durch einen parasitischen Pilz ausgelöste Infektionskrankheit, für die einheimischen Flusskrebsarten (z.B. Edelkrebs, Astacus astacus) ist sie tödlich. Manche Parasiten sind auch für den Menschen gefährlich (z.B. der mit Waschbären eingeschleppte Spulwurm, Baylisascaris procyonis).
  • Prädation (Bisamratte, Waschbär)
  • Veränderung von Ökosystemen (Wasserhaushalt, Vegetationsstrukturen) oder ökosystemare Prozesse (z.B. Dährstoffdynamik, Sukzessionsabläufe)
  • Aussterben durch Einkreuzen (Verwandtschaft die genetische Veränderungen der heimischen Population zum Beispiel Rotwild/Sika, Wolf/Hund)

Medizinisch

  • Gesundheitsgefahr durch Allergien (z.B. Ambrosia), Gifte (z.B. Herkulesstaude)

Wirtschaftlich

  • Hohe Kosten im Gesundheitsbereich
  • Produktionsausfälle und -schäden, Minderung von Ernten,
  • erhöhten Pestizideinsatz in Land- und Forstwirtschaft
  • erhöhte Kosten bei der Instandhaltung von Straßen, Wasser- und Schienenwegen.
  • Behinderung von Bewirtschaftung, Verschlechterung der Produktqualität, höhere Produktionskosten
  • Einstufung als Quarantäne-Schädling
    Im Internationalen Pflanzenschutzabkommen (IPPC) wurden Richtlinien (ISPM-Standards) festgelegt, nach denen eine Art als Quarantäneart eingestuft werden kann. Derzeit haben z.B. der Asiatische Laubholzbockkäfer (ALB), der Kiefernholznematode oder die Esskastanien-Gallwespe diesen Status. Dies hat zur Folge, dass bei internationalen Transporten bezüglich der Quarantänearten bestimmte, meist kostspielige Auflagen erfüllt werden müssen.

Insgesamt stellt die absichtliche Einfuhr und das unbeabsichtigte Einschleppen gebietsfremder Arten weltweit eine wichtige Gefährdung der Biodiversität  dar. So fordern u.a. das
 Übereinkommen über die Biologische Vielfalt, die
 nationale Biodiversitätsstrategie und das
 Bundesnaturschutzgesetz,
negative Auswirkungen auf die Biodiversität durch gebietsfremde Arten zu verhindern .
Wie bewertet man das Gefährdungspotenzial eines Lebewesens?

Zu diesem Zwecke wurde ein Konzept für die naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung gebietsfremder Arten (F+E Vorhabens „Gebietsfremde Gefäßpflanzen und Wirbeltiere“ FKZ 3511 86 0300) entwickelt. Es soll überprüfbar und nachvollziehbar eine naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung durch ausgewiesene
Fachleute ermöglichen. Hierbei wird für jede bearbeitete Art ein Steckbrief erstellt, in dem alle wesentlichen Angaben zum Vorkommen und zur Invasivität eingetragen und bewertet werden. Alle Steckbriefe werden anschließend durch das Bundesamt für Naturschutz auf Neobiota.de veröffentlicht.

Als Folge dessen hat die EU-Kommission im Juni 2016 zunächst 37 Tier und Pflanzenarten als invasive deklariert.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/invasive-arten-37-tier-und-pflanzenarten-bekommen-eu-verbot-a-1102877.html

Invasive Säugetiere

In Deutschland wurden im 19. Jahrhundert viele Tierarten vorsätzlich eingeführt – entweder direkt, um sie für Jagdzwecke und zur Pelzgewinnung) oder als Nutz- bzw. Haustiere. Durch Unaufmerksamkeit oder bewusste Freisetzungen kamen diese frei
In Deutschland konnten bisher insgesamt 36 gebietsfremde Säugetierarten eindeutig nachgewiesen werden. Für diese Tierarten wurden Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen durchgeführt. Die Ergebnisse sind im Jahre 2015 in den BfN-Skripten 409 publiziert worden.  (BfN-Skripten 409)

Glossar

neo = neu (griech.)

Neobiota = Überbegriff für neu eingebürgerte Lebewesen seit Kolumbus (griech.: bios = Leben, Lebewesen)

Neophyten = Neu eingebürgerte Pflanzenarten (griech.: phyton = Pflanze)

Neozoen = Neu eingebürgerte Tierarten (griech.: zoo = Kreatur, Tier)

Neomyceten = Neu eingebürgerte Pilzarten (griech.: mykês = Pilz)

Invasive Arten = Neobiota, die sich invasionsartig ausbreiten und dominant werden (lat. invadere = hineingehen)

Archäophten/-zoen = Altpflanzen/-tiere, Pflanzen/Tiere, die vor Kolumbus z.T. schon seit der Jungsteinzeit mit dem Menschen in ein Gebiet kamen. Dazu zählen z.B. viele Ackerunkäuter. (griech.: archaios = alt)

Indigene Arten = Synonym für autochthone, ursprünglich einheimische Arten, die aus eigener Kraft eingewandert oder vor Ort entstanden sind (lat. indiges = eingeboren; Altgriech.: autós = selbst und chthōn = Erde).

Quelle: BfN

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Andrea Di Monaco
Andrea Di Monaco
7 Jahre her

Eine schöne Zusammenfassung des Themas. Nur wurde Nutria hier aus Versehen als Prädator aufgeführt, was ja natürlich nicht der Fall ist 🙂